Wie entsteht ein Witz?

Kommt ein Mann in eine Bar. Fragt der Barkeeper: „Das Übliche?“
„Ach, ich weiß nicht … eigentlich sollte ich nicht … aber … na gut, ausnahmsweise!“

Täglich frage ich meine Tochter, was sie als Jause in die Schule mitbekommen möchte: Marmeladebrot, Honigbrot oder Salamibrot. Seit einigen Wochen ist es immer Marmelade. Vor einigen Tagen sagt sie, nachdenkend: „Heute nehm ich … Heute nehm ich … einmal … Marmelade!“
„Aha“ sage ich, „ausnahmsweise das Übliche!“

Wenig später poste ich auf Facebook: „Heute nehme ich ausnahmsweise das Übliche“.
Okay, das ist ein witziger Spruch, ein „One-liner“, aber noch kein richtiger Witz. Auch einen One-liner kann man übernehmen und bei passender Gelegenheit anbringen, zum Beispiel, wenn man sich im Büro an der Cafeteria anstellt. Damit man den Witz aber weitererzählen kann, auch wenn die augenblickliche Situation gerade keine Andockstelle für den  Spruch bietet, muss man der Pointe ihre Umgebung eben mitgeben, das heißt, sie in eine Geschichte verpacken.

„Kommt ein Mann in eine Bar und sagt: ‚Heute nehm ich ausnahmsweise das Übliche!’“

Was ist daran unbefriedigend? Der Mann kommt in die Bar und macht einen Witz, aber er ist nicht Teil des Witzes.

Daher die vorläufige Endversion, siehe oben.

Warum gefällt mir diese Version besser? Hier wird die Unlogik nicht um ihrer selbst willen angewandt, sondern ergibt sich aus der Situation. Der Mann bringt das „ausnahmsweise“ nicht an, um einen Witz zu machen, sondern um sich selbst in die Tasche zu lügen. Die Phrase wenden wir ja oft an, wenn uns Alkoholisches oder Kalorienreiches angeboten wird. Aber dadurch, dass der Barkeeper einfach „das Übliche“ anbietet, wird sie von vornherein als Selbstbetrug entlarvt. Und das macht ja einen Witz aus: eine Entlarvung.

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